Der Tag danach

Wer jetzt aktiv wirbt und eindrucksvolle, kreative, aufmerksamkeitsstarke Werbung für den Neustart konzipiert, der hat beim Reload die besten Chancen.
Archiv, Mucha Verlag

Die Kumulierung der Horror-Meldungen, die uns in Sachen Touristik und Gastronomie tagtäglich erreichen, ist schier nicht zu überbieten. Das World Travel & Tourism Council informierte via Presse-Aussendung, dass weltweit seit Beginn der Krise täglich (!) rund eine Million Menschen ihre Jobs im Tourismus verloren haben. Der Schaden in der Touristik in Deutschland lag bis Ende März bereits bei 213 Milliarden Euro. Und in einer Analyse, wo die Verluste nach Branchen aufgegliedert wurden, rangiert unsere heimische Touristik mit bislang verlorenen 1,6 Milliarden zwar deutlich hinter dem Handel, muss jedoch mit einem entscheidenden Manko fertig werden: Ein TV-Gerät, einen Kühlschrank oder Wanderschuhe kann man auch später erwerben. Wenn sich der Sturm gelegt hat. Nicht gebuchte Flugtickets, nicht genutzte Hotelbetten, nicht bestellte Speisen sind für alle Zeiten verloren. Und so ergeht’s uns wie den Friseuren: Wenn die wieder aufsperren, wird sich keiner zweimal am selben Tag die Haare schneiden lassen, nur um Ihnen zu helfen. Das ist – einfach erklärt – die Malaise unseres Geschäfts. 
Erschwerend kommen dazu Äußerungen von uninformierten Neidgenossen, die meinen: Wenn nun die Sommerferien 2020 zur verordneten Sommerfrische im eigenen Land werden, dann seien Österreichs Hotels, Restaurants, Pensionen und Privatzimmer eh gerettet. Worüber sich die denn aufregen würden?
Wer das behauptet, der hat schlicht keine Ahnung von den Zahlen: Bei 46 Millionen Ankünften jährlich können die 8,85 Millionen Österreicher beim besten Bemühen nur rund 26 Prozent abfangen. Ohne die Deutschen, die Holländer, die Italiener schaut’s also extrem triste hierzulande aus. 
Trotz all dieser schmerzlichen Faktoren möchte ich die wertvollsten Zeilen dieses Heftes, meinen Leitartikel, nicht dafür verschwenden, in ein sinnloses Lamento einzustimmen. Und damit – so wie leider nur allzu viele in der Branche – in der eigenen Verzweiflung baden. 
Nehmen Sie etwa den Wörthersee Tourismus: Dort fragte ich jüngst den Verantwortlichen, welche Maßnahmen er denn setzen wird, um möglichst viele heiß ersehnte Inlandsgäste nach Kärnten zu bringen. Und heuer über eine lange Strecke – vielleicht auch schon im Vorsommer bis in den Spätherbst verteilt – eine möglichst hohe Auslastung zu erreichen. Saisonverlängernd. Doch der Mann hat nur eine einzige Botschaft parat. Alles andere interessiert ihn nicht. Er will gar nichts hören. Kooperationen? Uninteressant. Dann beginnt er zu jammern: Seine Förderungsgelder, seine Zuschüsse, seine Budgets werden massiv gekürzt werden. Das beschäftigt ihn am meisten.
In solchen Momenten erkennt man, was ein Manager wert ist. Ob er nur im geschützten Bereich zurechtkommt, unter dem Regenschirm von Zuschüssen, Beiträgen, Förderungen, oder ob er dann, wenn ihm der Wind ins Besicht bläst, sich dagegen anstemmen kann. Das Gespräch mit Wörthersee Tourismus-Manager Roland Sint habe ich trotzdem versucht, zu Ende zu bringen. Und ihm unter dem Titel „Logisch denken und verschränken“ versucht, klar zu machen, welche große Chance sich bieten würde, wenn wir Österreichs Reisebüros und die Profis, die dort arbeiten, in die Vermarktung des Inlandstourismus einbauen würden (siehe dazu auch mein Text im Kasten „Logisch denken & verschränken“ auf der nächsten Seite). Sint sieht das anders. Und schickt noch ein unfreundliches „Darüber haben wir nicht nachgedacht“ durchs Telefon, bevor unser Gespräch endet.
Anders sein Kollege in Klagenfurt: Mag. Helmuth Micheler kann dieser Idee nicht nur viel abgewinnen, sondern richtet in der vorliegenden Ausgabe auch eine Botschaft an die Profis im Tourismus-Geschäft, die die Partner der von ihm vertretenen Stadt sind. Ein Bravo den Klagenfurtern, die den viralen Lindwurm mit den richtigen Maßnahmen bekämpfen.
* * *
Vor wenigen Tagen habe ich ein Grundsatzgespräch mit FTI-Chef Alexander Gessl geführt. Wie er die Zukunft sieht. Ob wir das schaffen. Gessl ist optimistisch. Er sagt: „Wir packen das.“ Und hat deshalb gerade Aktien der TUI gekauft (?!). Gessl: „Die waren vorher irgendwas um die 16 Euro wert. Jetzt gerade mal noch vier. Und weil die jüngst 1,8 Milliarden Euro Unterstützung von der deutschen Regierung bekommen haben, bin ich sicher, dass die TUI das schaffen wird. Dann rauschen die Aktien wieder nach oben. Und dann ist mein Geld gut angelegt.“ 
Schön, wenn ein Touristiker an die Zukunft seiner Branche glaubt. Und vor allem an die seines schärfsten Mitbewerbers (und damit wohl auch an seine eigene). 
So will ich denn diesen Leitartikel mit einem Appell an die Werbe-, Marketing- und Öffentlichkeits-Arbeits-Verantwortlichen in den Tourismus-Betrieben und in der Gastronomie krönen. 
Und zerdrücke ein Tränchen in den Augen, weil ich gerade ein unglaublich rührendes Mail und dazu passend einen berührenden Anruf bekommen habe: Erinnern Sie sich an Kommerzialrat Josef Fröhlich? Der legendäre österreichische Gastronom und Tourismuspolitiker, verheiratet seinerzeit übrigens mit der roten Vizebürgermeisterin Fröhlich-Sandner, schrieb mir über die nun folgende Passage, die ich vor wenigen Tagen schon in unserer Zeitschrift FaktuM veröffentlicht habe: 
„Lieber Christian! 
Ich danke Dir für Deinen so positiven Artikel im neuen FaktuM, der weit mehr als ein ausgezeichneter Herausgeberbrief ist. Es ist ein  g r o ß e r  Ruf zum Positivsein, zum Positivbleiben, die einzig wahre Einstellung, die Haltung, die wir jetzt alle brauchen. Schau, wir kennen uns fast ein Leben lang und haben Unglaubliches erlebt, erleben können, erleben müssen. Not, Krieg, Hunger, Neuanfang, Erfolg und und und… Ich bin glücklich, den Glauben an das Gute, das Bessere, das Schöne, trotzdem ich den 95er schon am Buckel habe, nicht zu verlieren. Du bist nicht blinder Optimist, sondern aktiver Vordenker. Schreibe weiter, weiter, weiter… Dein Pepi Fröhlich“ 
Wenn einem ein 95-Jähriger, der alles in der Branche gesehen hat, solche Zeilen schickt, wegen der folgenden, dann hoffe ich, dass ich mit diesen Zeilen auch Sie im Herzen treffen werde.
Der Tag danach
Die ganze Chose mit Corona wird nicht ewig so weitergehen. Es kommt der Tag danach. Und jetzt malen Sie sich in Ihren Köpfen einmal aus, mit welcher gewaltigen Freude die Menschen den Tag danach, wenn sie wieder in Restaurants, Bars, Cafés gehen dürfen, erleben werden. Wie toll es sein wird, die Enkelkinder wieder zu umarmen. Wie wunderbar es sein wird, die verlorene (Reise-) Freiheit wiederzugewinnen. Wie intensiv wir unseren nächsten Urlaub genießen werden. Der im heurigen Sommer vielleicht nur ein Inlandsurlaub wird (da können wir viel tun, um der heimischen Hotellerie zu helfen), bevor es wieder in die große weite Welt hinausgehen darf. 
Aber – es wird sich alles wieder normalisieren. Weil wir Menschen klug, empathisch, engagiert, kreativ sind, weil wir forschen, weil wir weiterentwickeln und weil wir uns nicht unterkriegen lassen. Und jetzt überlegen Sie sich, wenn die Freiheit des Reisens wieder möglich ist und die Menschen wieder buchen werden, was sich da abspielen wird. 
Für diesen Tag, den Tag danach, müssen Sie jetzt eine Kampagne entwickeln. Werbung vorbereiten. Den Leuten schmackhaft machen, warum sie am Tag danach zuerst zu Ihnen kommen sollen. Gute Werbung funktioniert am besten, wenn sie antizyklisch eingesetzt wird. Jetzt, wo keiner Werbung macht, wo keiner proaktiv auf die Kunden zugeht, sollten Sie Kampagnen entwickeln, Slogans bauen, Ihre Kreativen einsetzen und vielleicht sogar mit Teasern, die noch in der Krisenzeit platziert werden, die Menschen dazu führen, dass sie am Tag danach, wenn alles wieder hochfährt, zu Ihnen kommen. Das kann Ihre ganz große Chance sein. 
Und damit Sie nicht glauben, dass ich hier Wasser predige und Wein trinke: Vor Ihnen liegt ein Heft mit 134 Seiten. Unser Rückgang zum Vorjahr ist zwar deftig, aber wir haben mit harter Arbeit, mit Kundenpflege, mit Unterstützung Vieler es geschafft, für Sie ein Heft aus dem Boden zu stampfen, das dieses Krise, die uns alle betrifft, proaktiv medial aufarbeitet. Verkümmern Sie jetzt nicht zu einem Häufchen Elend. Lassen Sie sich von der aktuellen Situation – so schlimm sie auch ist – nicht unterkriegen. 
Bleiben Sie selbstbestimmt. Aktivieren Sie Ihre eigene Courage. Und zeigen wir alle gemeinsam, dass wir uns von diesem ekelhaften Virus nicht unterkriegen lassen. Das wünscht sich von Ihnen und vor allem, dass wir gesund bleiben
Ihr
Christian W. Mucha
Herausgeber
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