Wenn das Handy nervt …

Eine der „effizientesten“ Methoden, Genuss zu zerstören, ist der sozial-mediale Einsatz des Handys, zu dessen Sklaven wir immer mehr denaturieren.
© MG Mediengruppe

FM steht als Zeitschrift für Gastronomie, Hotellerie und Touristik für professionellen Umgang mit den schönsten Momenten des Lebens: Für Genuss beim Reisen, Speisen und Genießen. Doch die hedonistische Seite unseres Lebens wird uns immer mehr vermiest: Ob der Verzehr von Gänseleber, die Teilnahme an einer Kreuzfahrt oder ein Traumurlaub mit Anreise im Düsenjet – langsam aber sicher wird all das (und Ähnliches) politisch furchtbar unkorrekt.
Deshalb gilt es, in Zeiten wie diesen die armseligen allerletzten paar Möglichkeiten, die uns in Sachen Genuss noch verbleiben (ok, jetzt übertreibe ich ein bisschen) zu genießen. Und zu dokumentieren.
Dafür braucht man eigentlich nur ein Handy. Und ein soziales Netzwerk. Die Mobiltelefon-Industrie hat sich längst darauf eingestellt. Die neuen Mobil-Tools bieten Top-Kameras – fast schon in Leica-Qualität – und perfekte Auflösung. Doch wenn Sie das nächste Mal Ihren Instragram-Account füllen oder Ihre Facebook-Freunde beglücken wollen, sollten Sie über eine Anregung von Juan Amador nachdenken. 
Österreichs erster Drei-Sterne-Koch hat in seinem hochdekorierten Gourmet-Tempel in Wien XIX das Fotografieren der Speisen verboten. Auf meiner Facebook-Seite hat er sich selber zu Wort gemeldet und schwächt – wohl auch angesichts der heftigen und kontroversiellen Diskussion darüber – das Wort „verboten“ ab und ersetzt es durch „empfohlen“. Doch leider klappt so was nicht. Empfohlen heißt: „Lasst‘s das bei mir. Es ist mir zuwider. Aber wenn‘s sein muss, dann macht‘s den Mist halt…“ Und damit ist seine Position schlagartig verloren. Weg, perdu.
Ich habe dazu folgende Meinung: Chacun à son goût (jeder nach seinem Geschmack). Wenn jemand so dumm ist, vor lauter Fotografieren den feinsten Rindslungenbraten kalt werden zu lassen, dann ist er selber schuld.
Die Food-Ablichter sind meiner Meinung nach arm dran. Es ist schlecht erzogen, unhöflich, stört die anderen Gäste und verdirbt die ungetrübte reine Freude am Genuss. Zusammengefasst: Mir gehen die genauso auf den Wecker wie die Gaffer bei Autounfällen. 
Eine Zeitung hatte seinerzeit, als ich noch ein Kind war, nix zu suchen am Tisch. Und das gilt heute für das Handy. Weg damit. Einstecken, wegräumen, verschwinden lassen. Und vorher abdrehen. Ich will keine Anrufe während dem Essen. So viel privatime Zeit muss sein.
Wir wurden streng erzogen. Mutter platzierte uns schlanke Bücher unter die Arme zum Üben beim Essen, damit wir die Ellenbogen nicht wegspreizen. Lümmeln galt als tabu. Als ich bei einer bekannten Aristokratenfamilie eingeladen war, war ich entsetzt, dass dort die Kinder bei Tisch lümmelten. Darauf stand in unserem bürgerlichen Haushalt schon fast die Todesstrafe. Aber für uns Kinder waren die Regeln kein Problem. Wir waren stolz auf unsere guten Tischmanieren. 
Ich habe mich jedenfalls bemüht, das auch meinen Kindern so beizubringen.
Damals, vor gefühlten 100 Jahren, widmete man die ungeteilte Aufmerksamkeit noch einander wechselseitig. Da redete man miteinander. Sah sich gegenseitig an. Meine Eltern waren da absolut intolerant, wenn‘s um uns Kinder ging. Die Mickey Mouse lesen bei Tisch? Undenkbar. 
Vielleicht bin ich ja altmodisch: Aber mir geht‘s noch immer entsetzlich auf den Nerv, wenn mir bei einem Gespräch ein Schnösel gegenübersitzt und dauernd auf seinem Handy herumtippt, während er vorgibt, mit mir zu reden. „Können‘s das nervende Ding wenigstes für die paar Minuten, während wir reden, abdrehen und sich auf unser Gespräch konzentrieren? Das wäre höflich…“, ist man versucht zu sagen… Aber er kann natürlich nicht (wieso – isser süchtig?) – und ich sage das nicht. Aus reiner Höflichkeit.
Ich gebe Juan Amador also recht: Werfen‘s die elenden Knipser raus, Herr Amador! Er wird nur ein Mega-Problem kriegen: Wenn du im Dienstleistungsgeschäft bist, musst du Kompromisse machen. Für die Gäste. Sonst bist du schnell als arrogant verschrien. Und weg.
Deshalb empfiehlt es sich nicht – bei aller Sympathie und gleicher Meinung meinerseits –, gegen den Strom zu schwimmen. Und dieser Strom (die Handymanie) ist die stärkste Innovation der Menschheit und damit eine gewaltige Kraft. 
Die wird wahrscheinlich auch ein Amador nicht verbannen und bändigen. In unserer diesmaligen Titelgeschichte ab Seite 18 widmen wir uns Österreichs einzigem Drei-Sterne-Gastronomen, zeigen das Geheimnis seines Erfolges, präsentieren sein Lokal, bringen einen Auszug aus den – teils extremen – Reaktionen in den sozialen Netzwerken auf seinen Wunsch, im Amador nicht zu fotografieren – und er kommt in einem sechsseitigen Interview zu Wort, um seine Position darzulegen. Dass er dies exklusiv für FM tut, ehrt uns ganz besonders.
Viel Spaß und Lesefreude dabei wünscht Ihnen Ihr
Christian W. Mucha
Herausgeber
P.S.: Die heiß ersehnte Rankinglist der wichtigsten Gastronomen, Hoteliers und Touristiker von Österreich gibt es dann am am 17.4.2020 in FaktuM und am 8. Mai in FM zu lesen.
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